Früher war alles besser!? Das sagen wir immer so dahin, weil wir bisher sehr viel mehr Zeit im „Früher“ verbracht haben, als im Heute und weil wir uns an das Positive und Bessere von früher gern erinnern und das Negative und Schlechtere von damals einfach ausblenden, oder sogar schon vergessen haben.
Natürlich habe ich früher gern im Tante Emma Laden an der Ecke mit den Nachbarinnen und der Verkäuferin getratscht. Versuchen Sie heute mal, mit der Frau die das Regal im Supermarkt einräumt ein Gespräch anzufangen. Die hat entweder wirklich gar keine Zeit, so wie wir sie uns früher einfach genommen haben, oder sie Angst davor das sie fliegt, wenn ihr Chef sie beim Schwatzen erwischt.
Das Schwätzchen von früher ist also schon eine positive Erinnerung und bleibt auch als solche in unserem Gedächtnis haften. Das was wir längst ausgeblendet oder vergessen haben, ist die Tatsache das wir nach dem Schwätzchen und dem Einkauf im Tante Emma Laden, noch drei Straßen weiter zum Fleischer laufen mussten, danach um die Ecke zum Lottoladen um danach noch per Bus zum Friseur zu fahren. Morgen eine halbe Fahrstunde zum Optiker, auf dem Rückweg an einem Obst- und Gemüseladen vorbei und weil wir an den zwei Tagen gar nicht alles geschafft hatten, wurde das Abholen der Schuhe beim Schuster auf die nächste Woche verschoben.
Im ach so schlechteren Heute, haben wir im Supermarkt alles unter einem Dach. Unpersönlich und nicht so gemütlich wie der Tante Emma Laden von früher und mit manchmal etwas unnahbaren Angestellten. Neudeutschenglische Reklametafeln mit Hinweisen und Beschriftungen die kaum ein Kunde wirklich versteht, aber, alles auf engstem Raum, ohne das man zwischendurch den Bus braucht, oder man Nass wird wenn es mal regnet. In 2 Stunden hat man alles gekauft und erledigt – außer der Friseur, der dauert länger, aber die Rente reicht ja sowieso nur für einen Friseurbesuch pro Monat.
Früher war alles besser, da hatten wir noch keine Handys und Mama konnte auch nicht die Freundesliste auf Facebook überwachen, sagen viele. Meine Mutter konnte mich während der Olympiade 1936 in Berlin, tatsächlich auch nicht bei meiner Freundin Elvira auf einem Handy anrufen und mir mitteilen, das Karl Hein im Hammerwerfen die Goldmedaille für das Deutsche Reich gewonnen hat. Noch nicht mal auf einem normalen Telefon, denn auch das hatte nur die Obrigkeit der damaligen Zeit.
War das nun besser oder schlechter, für die damalige Zeit, für das Früher – und für mich? Erfahren habe ich es ja sowieso, irgendwann, aus der Göbbelsschnauze oder von den Leuten auf der Straße, denn wir haben ja früher auch noch intensiv mit den Freunden, Nachbarn und sogar fremden Leuten auf der Straße von Angesicht zu Angesicht gesprochen und nicht nur über Messenger und soziale Netzwerke kommuniziert. Unser Telefon hieß damals Buschfunk und unser Facebook nannten wir Poesiealbum.
Aber muss das Handy von heute deswegen schlecht sein? Vor zwei Jahren, ich war gerade Ausgehfertig zum Rentnersommerball, da verheddere ich mich doch in meinen eigenen Füßen, stürze die Treppe runter und lege dabei eine fatale Bruchlandung hin. Meine Tochter auf der Arbeit, die Enkelin noch in der Schule und die Nachbarn im Urlaub. Prima, kein Mensch da weit und breit und ich am jammern und heulen weil ich nicht aufstehen konnte, mit meinen damals 91 Lenzen. Ich bin bis heute kein Handyfreund, aber da ich Ausgehen wollte, hatte ich das Ding in der Handtasche – und die war, Gott sei dank, neben mir gelandet so das ich den Notarzt anrufen konnte.
Früher war alles besser sagte schon meine Oma Edeltraut, die 1867 geboren wurde – und Früher war alles besser, werden ganz sicher auch meine Ururururenkel noch sagen, wenn Sie im Jahr 2237 anlässlich der 1000 Jahrfeier Berlins, zur Eröffnungsfeier des Flughafens Berlin Brandenburg BER gehen, falls der bis dahin wirklich schon fertig ist.
So war das Damals, so ist das Heute, so wird das Morgen auch noch sein. Früher war alles besser? Nein, früher war nicht alles besser. Es war anders, eine andere Zeit mit anderen Macken, an die wir uns nicht mehr erinnern wollen und die wir sogar ausblenden müssen, um positiv im Heute und Morgen leben zu können.
Früher war nicht alles besser, aber, wir haben früher sehr viel intensiver, bewusster, freier und selbstbestimmender gelebt. Das würde mein lieber Otto, Gott hab ihn selig, sagen – und ich würde ihm recht geben.
Danke und liebe Grüße an Euch alle, liebe Freunde meiner Kolumne.
Eure Oma Meier.
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